2017 haben die beiden promovierten Meeresbiologen Jasmin und Jan Czerny in der alten Festung Friedrichsort, direkt am Strand der Kieler Förde, ihre Küstenbrauerei ins Leben gerufen. Hier werden seitdem schmackhafte Biere gebraut und feine Spirituosen gebrannt.
Küste-Biere
Die riesigen Gemäuer beherbergen die 12 großen Gär- und Lagertanks des „5 ½ Knoten“-Bieres. Sie beinhalten jeder davon 800 – 1600 Liter des köstlichen Getränks. „Das Unternehmen ist aus Idealismus entstanden, als Meeresbiologe habe ich zwar gut verdient, wir wollten aber gemeinsam etwas Regionales und das Hobby zum Beruf machen“, erläutert Jan Czerny, der hier auf der Führung so richtig ins Schwärmen gerät. Zum Beispiel von Biersorten wie dem Pale Ale oder dem Porter, einem dunklen und obergärigen Bier, wie es schon zur Hansezeit hergestellt wurde. Mit Roggenröstmalz gebraut erhält es seinen kernigen Charakter. „Wir produzieren nicht nach Schema F, sondern hinterfragen Produktionsprozesse und ziehen aktuelle Literatur zu Rate: So entstehen innovative Methoden, um althergebrachte Verfahrensweisen neu zu interpretieren.“ Regional, bio und nachhaltig – das sollte es sein. Nicht auf Wachstum und Konkurrenz der großen Industrie ausgelegt, sondern als kleine Manufaktur für regionale Spezialitäten. Die Rohstoffe stammen größtenteils aus ökologischem Landbau aus der Region, auf Einwegverpackung wird verzichtet. Das Bier wird in kleinen ansprechenden Holzkisten verkauft. „Die acht verschiedenen Biere sind die ersten Produkte aus unserer Brauerei, in der angeschlossenen Küstendestillerie werden neben unterschiedlichen Whiskeys die ja ein paar Jahre lagern müssen, auch Rum, ein maritimer Gin und der historische Gyldenlöv Korn gebrannt“ so Jan Czerny. Ihre an schottische Pott Stills angelehnte Brenn-Anlage haben sie mit ihrem verfahrenstechnischen Wissen perfektioniert. Dadurch wird der Geschmack der hochwertigen Maischen optimal in die Destillerie-Produkte übertragen: so entsteht auch der hochgelobte Gin „the Littoral“.
Küsten-Gin
Fangen wir mit dem Namen „the Littoral“ an. Littoral bedeutet Küste- und Ufernähe. Und vom Küstenstreifen der Ostsee stammt der Großteil der Bestandteile des Gins. An der Übergangszone zwischen Wasser und Land (Waterkant) wachsen ganz spezielle Pflanzen. Halophyten (salztolerante) an Land und Tang im Wasser. Die Botanicals (wie man das im Gin-Jargon nennt) sind aromatische Pflanzen die, neben den obligatorischen Wachholderbeeren, den speziellen Charakter des Gins ausmachen. Für die Czernys war es bei der Entwicklung ihres Gins immer klar, einheimische Botanicals zu verwenden, insbesondere solche die einen Bezug zur Ostsee haben. Die Entwicklung ihres Gins hat über ein Jahr gedauert, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden waren. Unser Gin-Experte Jens Mecklenburg schwärmt: „Ein unvergleichlich fruchtig maritimer Gin mit einem Hauch Seeluft. Ein Gin-Unikat in allerbester Qualität. Pur oder mit einem passenden Tonic genießen und die Augen schließen – so riecht und schmeckt die Ostsee. Nach einem zweiten Glas lässt sich gelegentlich sogar das friedliche Plätschern der Kieler Bucht vernehmen.“
Küsten-Korn
Auf historische Weise und mit Nachbars Weizen und Gerste wird er in der Festung Friedrichsort gebrannt. Ein Korn, wie jener in dem ihr Erbauer König Christian IV., hier 1637 badete – auf ärztlichen Rat. Der dänische Nationalheld hatte großen Fortpflanzungserfolg. Die fünf unehelichen unter seinen 21 Kindern trugen den Namen Gyldenlöve. Der Gyldenlöv“, ein echter Korn mit 38%Vol. und einem fruchtig-getreidigem Charakter. „Üblicher billiger Korn erinnert eher an Desinfektionsmittel; unser aromatischer Goldenlöv hingegen wird nach traditioneller Rezeptur aus Weizen und Malz mit Hilfe einer speziellen Hefe gewonnen“, sagt der stolze Brenner. Diesen Korn trinkt man in Zimmertemperatur. Er ist harmonisch mild und hat doch Tiefe und Würze.
Eine wichtige Zugabe ist der Strandwermut, ein Verwandter des Wermuts der in Absinth verwendet wird. Er wächst ausschließlich an Standorten mit Meerwasser-Einfluss. Auf ihren meeresbiologischen Exkursionen wurde ihnen als Studenten immer vom Strandwermut und seiner langen Tradition als norddeutsche Schnapszutat berichtet. Er geriet aber in Vergessenheit und spielt als Zutat für Spirituosen keine Rolle mehr. Bis die Czernys an ihre Studentenzeit dachten und ihre meeresbiologischen Kenntnisse mit ihren als Brenner vereinten. Seit der Aufhebung der Absinth-Prohibition dürften sie die ersten sein, die wieder echten Strandwermut in einer Spirituose verwenden. Kaufen kann man das Kraut nicht, man muss es sammeln, wofür sie sich als Kräutersammler zertifizieren lassen mussten. Nun pflücken sie an der Küste der Kieler Bucht ihre für den Gin benötigten Salzwiesenkräuter. Die nächste Zutat sind Bio-Algen, die bei ihren Bekannten von Ocean Basis in Kiel angebaut werden. Jan Czerny sagt: „Es hat uns sehr überrascht wie gut das Aroma von Seetang mit Wachholder harmoniert. Um noch Fruchtigkeit und Frische in den Gin zu bekommen haben wir schwarze Johannisbeeren und Apfel verwendet.“ Selbstredend, dass auch die Früchte aus der Region kommen. Der Brenner klärt weiter auf: „Wir verwenden ausschließlich natürlich Gewürze, Kräuter und Früchte, die in einem Bio-Weizenbrand eingelegt (mazeriert) werden und anschließend auf unserer 400 Liter Feinbrandblase destilliert werden.“
Küsten-Whisky
Drei Jahre muss das Getreidedestillat in Eichen-Fässern liegen, bevor es überhaupt Whisky heißen darf. Dass die Reifung Jahre und Jahrzehnte braucht, vergisst man meist, wenn man eine Flasche Whisky öffnet. Und das heute, wo alles sofort verfügbar sein muss, und Zeit ein besonders wertvoller Rohstoff ist. Obwohl drei Jahre für einen Single Malt kein Alter sind, erfreut er sich einer erstaunlichen Geschmacksvielfalt und -tiefe, wofür die Qualität der Rohstoffe und die Sorgfalt bei der Herstellung entscheidend waren. Der erste Kieler Whisky in der langen Stadtgeschichte ist als „fruchtige“ und „rauchige“ Abfüllung auf dem Markt. Weitere werden folgen.
Mehr von der Küste
20 Monate reifte das Destillat aus Bio-Zuckerrohrmelasse im Bourbon-Fass Nr. 19 zu einem fruchtig-intensiven Rum heran, und erfreut somit Liebhaber starker, authentischer Rums. Pur oder als Grog weckt er die Lebensgeister nach einem stürmischen Tag auf oder an der See, mit ein paar Tropfen Wasser entfaltet er seine volle Aromen-Vielfalt. Auch Bierbrände und Kaffeelikör gehören zum Angebot der Destille.
Als Küstenbrauerei beziehungsweise Küstendestillerie ist es das Anliegen der Czernys, Produkte zu kreieren, die Kiel und seine Umgebung repräsentieren. Sie möchten quasi das Land und seine charakteristischen Erträge in eine Flasche packen. Sei es das Weizenfeld beim Korn, das Gerstenfeld beim Bier oder die Salzwiesen und die Ostsee beim Gin. Man soll das Land, die Küste, das Meer schmecken können, fast so, als ob mit jedem Schluck eine kleine Geschichte erzählt wird. Man darf gespannt sein, was den kreativen Czernys für weitere Spezialitäten einfallen. Klar ist: Sie repräsentieren Kiel und die Ostsee von ihrer genussvollsten Seite.
Nordbauern
Warum sind die Czernys bei den Nordbauern Mitglied? Jan Czerny findet die Mischung zwischen spezialisierten Genusshandwerkern und traditionellen bäuerlichen Familienbetrieben spannend. Man tausch sich aus, kann voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen. „Alle sind Direktvermarkter, dicht an ihren Kunden dran, wie wir. Produzenten und Produzentinnen zum Anfassen, sind unglaublich wichtig in heutigen Zeiten.“
Küstenbrauerei und Destillerie
Dr. Jan Czerny
Deichweg 20
Seefestung Friedrichsort
24159 Kiel
Tel. 0431 – 8890 3000, 01726145892
info@czernys-kuestenbrauerei.de
czernys-kuestenbrauerei.de/
Text von Barbara Maier, Nordische Esskultur